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Teil 2 der Leseprobe ‚DES TEUFELS HAND‘

Pferde-Tongas waren die Taxis oder Rikschas in Lahore und mir taten die mageren, armseligen Pferdchen sehr leid, die anscheinend mehr von der Peitsche, als vom Futter lebten. Vor meiner Abreise nach Indien bestellte ich beim geschäftstüchtigen Manager ein Kilogramm Haschisch zum Preis von zehn amerikanischen Dollar. Ich gedachte, dieses in Goa zu verkaufen und so meinen Aufenthalt im 'Gelobten Land' weiter zu finanzieren. Meine Geldmittel waren nun äußerst beschränkt, so dass dies eine willkommene Möglichkeit bot - zumal Touristen aus der anderen Richtung, welche sich also auf dem Heimwege befanden, berichteten, dass Haschisch in Goa bedeutend kostspieliger sei als in Pakistan. – Der Grenzübergang nach Indien, welcher nur an ein oder zwei Tagen in der Woche geöffnet war, sei so überlastet, dass eingehende Kontrollen unmöglich seien und somit die Chancen gut stünden, unkontrolliert die Schmuggelware über die Grenze bringen zu können.... Das in eine Plastikfolie verpackte Haschisch bekam seinen Platz unterhalb des Bauchnabels in meiner Hose. – Es handelte sich dabei um vier gepresste Platten grünen, pakistanischen Haschischs, welches außerordentlich ölhaltig war. Dieser Umstand sollte später in Goa leider den Verkaufspreis empfindlich nach unten drücken.

Der Übergang in den indischen Punjab verlief tatsächlich ohne jegliches Problem und befreit konnte ich aufatmen. Amritsar; Besuch im Goldenen Tempel, ́ dem Heiligtum der Religionsgemeinschaft derSikh ́, welches viele Jahre später zu traurigem Ruhm gelangen sollte! Nach zwei oder drei Tagen ging es weiter nach Delhi; von da aus nach Bombay. – Diese Stadt war unbeschreiblich. Einerseits die imposanten Gebäude aus der britischen Kolonialzeit; andererseits ein unsägliches Konglomerat von Dreck, Lärm und Gestank ! Bettler mit verdrehten Gliedmaßen; Hunde mit von der Eisenbahn abgefahrenen Beinstümpfen; frei im Taxi– und Busverkehr laufende Zebu-Rinder....

Wollte ich eine vielbefahrene Hauptstraße überqueren, so brauchte ich nur eine Kuh vor mir her über die Straße zu treiben; sofort stand der Verkehr still. Für mich alleine hätte man nicht gebremst. Ich mochte weder die Stadt, noch die in ihr lebenden Menschen, was auch bis heute so geblieben ist.

Mit einem Küsten–Passagierschiff fuhr ich nach Panjim in Goa. Wir legten am Morgen in der goanischen Hauptstadt an und ich nahm einen Überlandbus nach Calangute. – Calangute war einer von drei oder vier Stränden, an welchen sich die Hippies und Globetrotter aus aller Welt trafen, um L.S.D.–Partys bei Vollmond zu feiern und ansonsten allen erdenklichen Drogen und Sonne und Meer zu frönen. Für mich war Alles neu, exotisch und morphium–vernebelt angenehm–schön. Ich mietete ein Häuschen am Strand, aß Opium, spritzte Morphium – dann wieder Heroin; verkaufte mein mitgebrachtes Haschisch zu leider niedrigerem Preis, als erhofft – und musste irgendwann beginnen, mitgebrachte Utensilien wie Fotoapparat, Kassettenrekorder, Ledergürtel und Ähnliches, zu verkaufen, um mich weiterhin zu finanzieren.

Mit der Zeit kam die Gewöhnung an das anfänglich Neue und Schöne und andere Dinge zogen mein Augenmerk auf sich. Diese waren weit weniger schön zu nennen. Wir aus dem Westen waren dabei, eine Kultur zu zerstören. Nacktbaden, öffentlicher Sex am Strand; dies Alles widersprach der goanischen Denkungsart und würde, so meine Befürchtung, zu nichts Gutem führen. Indische Touristen kamen von überall her, um die Nackten zu bestaunen – und ich begann, mich für das, was Meinesgleichen hier an den Tag legte, zu schämen....

Noch vor Ablauf meines Drei–Monats–Visums fuhr ich nach Bombay und bat beim Deutschen Konsulat um meine Rückführung nach Deutschland, welche auch bewilligt wurde. Die Wartezeit auf den Flug verbrachte ich im ungeliebten Bombay, was mich nur in meinem Entschluss bestärkte: Nie wieder Indien! In Goa litt ich an Hepatitis; danach durch verschmutztes Brunnenwasser an der Ruhr; Alles in Allem keine allzu erfreulichen Erinnerungen also und ich freute mich allen Ernstes auf das saubere Deutschland. –

April. – Später Schnee und elend kalt. Ich stand bei Frankfurt auf der Autobahn, braungebrannt, die Haare bis in den Rücken reichend, nur mit einer dünnen indischen Leinenhose, ebensolchem, offenen Leibchen nebst Sandalen bekleidet und fror mir die Seele aus dem fast nur noch aus Haut und Knochen bestehenden Leibe. Eine erstaunte, mitleidige Geschäftsfrau ließ mich in ihren Wagen einsteigen, um mich fast bis zu meinem gewünschten Ziel zu bringen.

Im Elternhaus erst einmal wieder aufgepäppelt, ließ ich auch, nach mehrtägigen Schweißausbrüchen, Magenkrämpfen und anderen Entzugserscheinungen, die Finger von der Spritze. Ich suchte mir eine Arbeit als Lagerarbeiter, erneuerte eine frühere Beziehung zu einem Mädchen und blieb bis 1975 im Lande....

Meine Eltern fuhren in Urlaub und ich sollte sie begleiten, was mich allerdings in keinster Weise ansprechen wollte. Ich packte wieder meinen Schlaf– und Rucksack zusammen und machte mich heimlich auf, um nach Marokko zu gelangen. In Marseille übernachtete ich mit einem Fremden in einem billigen Hotelzimmer und habe bis heute nur noch eine verschwommene Erinnerung an den Versuch dieses Fremden, meine Armbanduhr zu stehlen.-

Ich fuhr weiter nach Spanien und spürte irgendwann, dass irgendetwas mit mir nicht stimmte:

  • Ich hatte niemals spanisch gelernt und glaubte dennoch, zu verstehen, was die Menschen sprachen. Nach ein oder zwei weiteren Tagen wurde ich von Wahnvorstellungen befallen und war mir sicher, dass die Menschen mich beschimpften. – Sah ich direkt in Deren Augen, so hörten sie mit den Beschimpfungen auf.

  • In der Wartehalle eines Bahnhofes sitzend, hörte ich aus den Lautsprechern die Stimme des Teufels selbst – und ich kann versichern, dass ich weder zuvor noch später in meinem Leben eine solch hässliche, abstoßende und widerwärtige Stimme vernommen habe..... Irgend etwas in mir wehrte sich dennoch gegen die Vorstellung, besessen zu sein und nach mehreren schlaflosen Nächten, in welchen ich von dieser und auch anderen Stimmen heimgesucht wurde, auch am Tage verließen sie mich nicht, beschloss ich, zurückzukehren und in Deutschland ärztliche Hilfe zu suchen.

Von diesem gleichen Moment an war ich frei von jenem mich unsäglich ängstigenden Phänomen und ich habe bis zum heutigen Tage noch keine befriedigende Erklärung dafür gefunden. – Lange Zeit schon hatte ich keine Drogen mehr genommen und der Vorfall in jenem Hotelzimmer in Marseille fiel mir erst nach vielen Jahren wieder ein; doch bin ich mir auch heute noch nicht gewiss, ob man mir damals irgendein Mittel einbrachte, um mich zu berauben....

Ich kam zurück in die elterliche Wohnung, wusch alle meine Kleidung in der Waschmaschine und hing sie zum Trocknen auf den Dachboden. Geld hatte ich keines mehr. – Nichtsdestotrotz entschloss ich mich, zurück nach Indien zu fahren. ... Erinnerung trübt sich mit der Zeit und vergessen war mein: `Nie wieder Indien ! ́

  • Meine gewesene Freundin fuhr mich auf meine Bitte zum Autobahnzubringer einer benachbarten Stadt. Auf ihre Frage nach meinen finanziellen Mitteln, musste ich eingestehen, dass ich ohne auch nur einen Pfennig war. Sie erklärte mich für verrückt, gab mir alles Geld, was sie mit sich führte - es waren fünfzig Mark – und wies mich an, auf sie zu warten; sie wolle zur Bank fahren und Geld für mich abheben. Ich versprach dies jedoch nicht, sondern erklärte, dass ich, sollte sich eine Mitfahrgelegenheit ergeben, ich diese ergreifen und in jedes Fahrzeug, welches für mich anhielte, einsteigen würde. Tatsächlich hielt bereits das dritte oder vierte Auto und ich lud meinen etwa 75 kg schweren Rucksack ein und war unterwegs... Zuletzt hatte ich, nach meinem Job als Lagerarbeiter, als Gerüstbauer gearbeitet und war somit außerordentlich kräftig, so dass es mir möglich war, dieses doch nicht gerade geringe Gewicht auch über eine längere Strecke zu tragen.

-- Mit fünfzig Mark nach Indien. Man mag mich vielleicht für einen Spinner oder schlimmer noch – einen Lügner halten - doch hatte ich soviel Gepäck auch aus dem Grunde mitgenommen, um beispielsweise Jeans, welche in Indien, außer in Goa und Bombay, noch weitgehend unbekannt und nicht erhältlich waren, zu verkaufen. Außerdem befand sich ein Fotoapparat sowie eine ganze Sammlung von Ledergürteln in meinem Gepäck, welche ebenfalls zum Verkauf bestimmt waren.

`Made in Western Germany ́ war damals noch ein Zauberwort und ich war mir gewiss, mich so eine gute Weile über Wasser halten zu können. Dazu muss noch gesagt werden, dass zu jener Zeit Afghanistan das einzige Land auf dieser Route war, welches von Deutschen ein kostenpflichtiges Visum verlangte; alle anderen Länder waren frei und man bekam das kostenfreie Visum bei der Einreise in den Pass gestempelt. Ich hatte die Absicht, diesmal Afghanistan zu umgehen und südlich davon direkt von Persien nach Pakistan zu reisen. – Somit würden für mich keine Extraunkosten entstehen. Doch gebe ich heute freilich zu : Es war eine Fahrt ins Ungewisse....

Nach dreieinhalb Wochen war, nach etlichen Wechseln der Mitfahrgelegenheiten, das Ziel erreicht. – Drei Tage Goa; dann hatte ich die Nase wieder voll und machte mich auf nach Delhi. Nach einiger Zeit in einem Hotel in Alt–Delhi schrieb ich meiner Freundin einen Brief und bat sie, mir das Geld für den Rückflug zu überweisen. – Im gleichen Lodge lernte ich einen Sikh aus dem Punjab kennen, der auf Heimaturlaub zurück in sein Dorf wollte. Er arbeitete hier in Delhi als Taxifahrer. Der damals etwa fünfzigjährige Mann lud mich ein, mit ihm zu kommen und als sein Gast zu bleiben, bis mein Geld einträfe. – Bei der Bank in Delhi gab er seine Bankverbindung im Punjab an und wir machten uns auf den Weg.

Nach sechs angenehmen und interessanten Wochen in seinem Heim wurde mir unwohl bei dem Gedanken, seine Gastfreundschaft weiterhin in Anspruch zu nehmen; ich war zu der Überzeugung gelangt, dass das erwartete Geld nicht überwiesen war. Gegen den Willen der Gastfamilie machte ich mich auf den Weg zur pakistanischen Grenze, um wieder als Anhalter den Rückweg anzutreten. ( Bei meinem nächsten Indienbesuch erfuhr ich dann, dass am gleichen Tage - ich war am Morgen aufgebrochen - am späten Vormittag auch das Geld eintraf. Mein Gastgeber erkundigte sich telefonisch an der Grenze nach mir, um zu erfahren, dass ich dieselbe bereits überschritten hatte. )

Wiederum benötigte ich dreieinhalb Wochen und wurde von einem kanadischen Pärchen, welches halbjährlich in Holland lebte, von kurz hinter Ankara, der türkischen Hauptstadt, bis in mein Heimatdorf mitgenommen. (Das überwiesene Geld wurde von dem ehrlichen Sikh wieder zurückgeschickt.)

  • Nach einem Jahr und drei Monaten war ich zum dritten mal unterwegs nach Indien. Diesmal sollte ich sechs Monate bleiben. Ich kam mit dem Flugzeug und hatte 10 000 DM dabei, was damals für Indien sehr, sehr viel Geld war. Ich, der ich noch niemals ein sparsamer Mensch war, gab diese Summe in einem Zeitraum von knapp zweieinhalb Monaten aus. Gut die Hälfte davon ging an Arme und Bedürftige – oder Solche, die vorgaben, bedürftig zu sein – und davon gab es in diesem Land schon immer mehr als genug. Die andere Hälfte verbrauchte ich selbst; in Hotels, Varietés und mit Umherreisen.

Ich kam zuletzt nach Madhya–Pradesh in Zentral–Indien, wo es noch riesige Dschungelgebiete gab mit unterschiedlichen Eingeborenenstämmen. Trotz Abratens befreundeter Studenten in Jagdalpur, begab ich mich in das angeblich wildeste und rückständigste Gebiet Indiens, in welchem immer noch nackte Wilde jeden Eindringling mit Pfeilen beschießen sollten. –

Dies Letztere stellte sich als eines der vielen indischen Märchen heraus. Die Mariah von Abuzmar schossen zwar tatsächlich noch mit Pfeil und Bogen, doch nur zum Zweck der Jagd auf Tiere.

  • Aufgrund einer schweren Malaria musste ich dieses mich ansprechende Gebiet wieder verlassen.

In Raipur, im Heim eines Verwandten meiner Jagdalpur–Freunde, wurde ich gepflegt, doch weigerte ich mich strikt, Malaria–Medikamente einzunehmen. Ich war bereits vom Fieberwahn befallen und schrieb die Erkrankung irgendwelchen Geistern zu.

Es gelang mir dennoch, mit dem Flugzeug zurück nach Deutschland zu gelangen, wo ich am nächsten Tag in ein Krankenhaus gebracht und auf einer Isolierstation behandelt wurde. Zwei Beutel Blutplasma wurden unverzüglich verabreicht und ich sollte mindestens für sechs Wochen bleiben, doch dank der erstaunlichen Regenerationsfähigkeit meiner roten Blutkörperchen verließ ich die Klinik bereits nach zehn Tagen. Es folgte wieder ein gutbezahlter Job, doch ich fühlte mich beengter, als je zuvor und begann zu trinken. Tagsüber, bei der Arbeit, trank ich keinen Tropfen; jedoch nach Feierabend Zuhause, ich hatte bereits eine eigene Wohnung, trank ich gleich mehrere Whisky auf Eis. – Innerhalb eines Jahres steigerte ich diese Menge auf eine ganze Flasche. Ich bemerkte eben noch rechtzeitig, dass ich im Begriff war, zum Alkoholiker zu werden und suchte einen Arzt auf, der mir Tabletten verschrieb. –