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Teil 4 aus ‚DES TEUFELS HAND‘

Der Kampf

Wenn ich hier, wie auch an späterer Stelle, Namen von Orten und Ländern verschweige, so geschieht dies mit voller Absicht. Habe ich bisher alles aus meinem Leben erzählt, so wird dies von nun an nicht mehr möglich sein; dies zum Schutze anderer Menschen und Regierungen.

Gewalt. Was war Gewalt ? War Gewalt etwa nur körperlicher Natur ? Eindeutig Nein ! Was die Inder in Bezug auf die Eingeborenen ihres Landes taten, war auch Gewalt; Gewalt übelster Prägung. Sie vergewaltigten Deren Seele und Naturell und nach meiner festen Überzeugung war das Naturvolk dieser einfachen, ehrlichen Menschen edler und wertvoller zu nennen, als jenes verschlagene, verlogene Wesen der Inder.
Ich musste etwas tun, da ich, wie damals Adam, von dem Apfel gegessen hatte! Ich würde Schuld auf mich laden; dessen war ich mir bewusst. Doch wäre ich frei von Schuld, wenn ich die Hände in den Schoß legte und zusah, wie eine wertvolle Kultur zugrunde gerichtet wurde ?

Ich fasste den Entschluss, zumindest nach Raipur und dann weiter in den Nordosten zu reisen, um mir anzusehen, was es zu sehen gab und mich danach erst zu entscheiden. Einem schon älteren Gond, welchen ich Onkel nannte, vertraute ich meine Hühner an und bat ihn, auf mein Gemüse achtzugeben, so dass es nicht von eindringenden Rindern gefressen würde. Ich war reisefertig und gab als Grund für meine Abwesenheit an, etwas umherfahren und mir das Land ansehen zu wollen.....

Termingerecht traf ich im genannten Hotel in Raipur ein und nannte an der Rezeption Gautams Namen. Man versprach, mir Bescheid zu geben, wenn er eingetroffen sei und ich ging auf mein Zimmer, um mich noch etwas auszuruhen. Geweckt durch die Stimme Gautams, öffnete ich die Tür und ließ den hageren Widerständler ein. „Sie sind also gekommen,“ freute er sich, „ich habe mich nicht in Ihnen getäuscht.“ Ich gab zu verstehen, dass ich mich noch nicht endgültig entschieden habe und mir eine Zu– oder Absage für später vorbehalten wolle, nachdem ich mehr über die Art und Weise des erwähnten `Kampfes ́ erfahren hätte. Er lächelte und meinte, dies spräche nur für meine Besonnenheit und dass ich recht daran täte, nichts zu überstürzen. Auch jetzt solle ich nicht allzu wissbegierig sein, da er in Raipur zu tun habe und heute und morgen unterwegs sein müsse. Ich solle es mir gemütlich machen; wenn wir an unserem Ziel angelangt seien, würde ich alles sehen und erfahren, was es zu erfahren gab. Er sei überzeugt, dass ich dann die richtige Entscheidung treffen würde. Wieder lächelte er und verabschiedete sich, mit dem Hinweis, dass wir übermorgen bald nach Tagesbeginn aufbrechen würden.

Ich nutzte die Gelegenheit, meines Studentenfreundes Familie zu besuchen, die sich sehr erfreut über diese unerwartete Visite zeigte. Selbstverständlich verschwieg ich den wahren Grund meines Hierseins und sprach von einer kleinen Rundreise. Am Abend war ich zeitig zurück in meinem Hotel und genehmigte mir nach dem Essen zum besseren Einschlafen in der doch ungewohnten Umgebung einen Mangosaft mit einem ordentlichen Schuss Whisky, der mir auch tatsächlich zu einem traumlosen Schlaf verhalf.

Am nächsten Morgen, nachdem ich geduscht und gefrühstückt hatte, fiel mir siedend heiß ein, dass ich ja ohne gültiges Visum in einer größeren Stadt unterwegs war. Ich war braungebrannt und sprach Hindi und hatte vermutlich diesem Umstand zu verdanken, dass man mich nicht nach meinem Pass gefragt hatte. Doch konnte ich mich keineswegs darauf verlassen, auch zukünftig unbehelligt zu bleiben, weshalb ich beschloss, den Großteil des Tages im Hotelzimmer zu verbringen.

Um die Mittagszeit kam Gautam erneut auf einen Sprung vorbei und ich sprach ihm von meinem Visa–Problem. Er versprach, sich darum zu kümmern; ich solle mir jedoch nicht allzu viele Gedanken darüber machen. Würde ich als Ausländer erkannt und nach Papieren gefragt, so solle ich behaupten, mein Pass befände sich zur Zeit in Delhi zur Visaverlängerung. Dennoch solle ich das Schicksal nicht unnötig herausfordern, sondern mich, wie ich es ja ohnehin vorhatte, besser im Hotel aufhalten. Ich war es zufrieden und mein neugewonnener Freund machte sich wieder auf den Weg.

Gautam mochte Anfang der Dreißig sein und machte einen gebildeten Eindruck. Seine Rede war einfach; nicht gespickt mit bloßen Schlagworten, wie man dies oft von Vertretern einer bestimmten politischen Richtung erwarten möchte, sondern zeugte von gesundem Menschenverstand. Er mochte aus eigener Erfahrung sprechen und nicht nur wiederholen, was er sich angelesen hatte. Ich war äußerst gespannt, Näheres über ihn zu erfahren. Das späte Mittagessen ließ ich mir auf dem Zimmer servieren; danach machte ich mich an meine Schreibübungen. Ich hatte in meiner Hütte, mit Hilfe des einzigen Jungen des Dorfes, welcher die Schule besuchte, begonnen, Hindi auch lesen und schreiben zu lernen, so dass ich später einmal in der Lage sein sollte, auch Zeitungen oder Bücher in Hindi zu lesen. Zwischendurch ließ ich mir Tee servieren und nahm einen Imbiss zu mir.

Gegen 17°° Uhr legte ich meine Lektion beiseite und las in einem englischsprachigen Magazin, welches ich mir gestern besorgt hatte. So verging die Wartezeit. Am Abend wieder essen auf meinem Zimmer, danach der gleiche Schlaftrunk wie gestern. Alles war vorbereitet für die morgige Abreise und ich hatte bereits die Rechnung verlangt, so dass ich morgen nur noch das Frühstück zu bezahlen brauchte. -

Wieder schlief ich durch und war früh genug wach, um zu duschen und mein Frühstück einzunehmen und dann auf meinen Freund Gautam zu warten. Dieser erschien Punkt 8°° Uhr und wir machten uns in zwei Rikschas auf den Weg zum Bahnhof. Gautam hatte die Fahrkarten bereits besorgt und es stellte sich zu meiner angenehmen Überraschung heraus, dass er ein ganzes Abteil, welches für sechs Passagiere gedacht war, gebucht hatte. Wir hatten also mit keinerlei Störungen zu rechnen und konnten es uns in aller Ruhe bequem machen und uns unterhalten.

Ich erfuhr, wohin wir im Begriff waren, zu fahren; weiter, dass ein Land, welches nicht gerade freundschaftliche Beziehungen zu Indien unterhielt, Widerständler durch Finanzmittel sowie Schulungen unterstützte. – In einem zweiten benachbarten Land, dessen Namen ich ebenfalls nicht nennen werde, wurden die Kämpfer auch an den Waffen und im unbewaffneten Kampf ausgebildet. Danach konnten sie an der inneren Front jenes Landes erste Kampferfahrungen in Guerilla–Taktiken erwerben.

Nachdem wir unsere erste Station erreicht hatten, ging es weiter mit Überlandbussen, bis schließlich ein Wagen samt Fahrer für die letzte Etappe gemietet wurde. Im Dorfe Gautams angekommen, führte er mich in das Haus seiner Schwester, in welchem er zu übernachten pflegte, wenn er in sein Heimatdorf kam. – Ein eigenes Heim unterhielt er aus naheliegenden Gründen nicht mehr. Wir tranken Tee, ruhten uns aus und am nächsten Tag führte er mich umher. Wir besuchten etliche Häuser in diesem Ort; danach ging es weiter in benachbarte Dörfer. Der Zweck dieser Besuche war ein recht schauriger zu nennen: Gautam führte mir Polizeiopfer vor.

Es gab Menschen aller Altersklassen; vom Greis bis zum halben Kind, welche von der Polizei misshandelt und in einzelnen Fällen gar zu Krüppeln gemacht worden waren.... Sie alle erzählten übereinstimmend über die gleichen brutalen Foltermethoden, die wegen kleinster angeblicher Vergehen oder auch wegen des Vorwurfs der Unterstützung von Terroristen angewendet wurden.

Gautam versicherte mir, dass diese Leute, welche ich heute zu Gesicht bekommen hatte, absolut nichts mit seinen Mitstreitern zu tun hätten. Sicher gäbe es auch gefolterte Personen, welche Sympathien mit den Widerständlern bekundeten, doch befände sich kein einziger Derjenigen unter den mir heute gezeigten Opfern. Es gäbe weiterhin Landlords, welche ungestraft mit den von ihnen abhängigen Bauern in gleicher Manier verfahren könnten und würden und dabei noch auf die Unterstützung der Behörden bauen könnten.....

Zurück in seiner Schwester Haus, überreichte er mir eine sogenannte `Rations–Karte ́ zum verbilligten Einkauf von Lebensmitteln, welche in Indien gleichzeitig als Ausweis akzeptiert wurde. Er stellte mir auch einen indischen Pass in Aussicht, da ich diesen für den Übergang der Grenze zum Nachbarland brauchen würde. – Er habe bereits einen Fotografen bestellt, welchen er am Nachmittag erwarte.

Jener traf ein und nahm mich mit einem alten Schwarzweiß-Fotoapparat auf. Er versprach Gautam die Fotos für den nächsten Morgen. Bis zum Nachmittag des nächsten Tages sollte dann auch der Pass fertig sein zur Unterschrift.

Mein neuer, indischer, Name wäre dann `Ashok Kumar ́, geboren in Raipur, Madhya–Pradesh. Auf eben diesen Namen war auch die Rations-Karte ausgeschrieben, welche indessen kein Photo benötigte. Zwei weitere Tage blieben wir in jenem Dorf, welches nicht allzu weit der Grenze des Landes lag, in welches uns zu begeben wir nun im Begriff waren.

Fortsetzung morgen