Offener Brief an die Grüne Fraktion NRW zur Zurückziehung eines Lehrauftrages durch die Polizei-Hochschule Gelsenkirchen

Liebe Gönül Eğlence, Liebe Dorothea Deppermann, Liebe Dr. Julia Höller,

ich wende mich an Sie als Sprecherinnen für Migration und Teilhabe, für Demokratie und Verfassugsschutz und für Inneres der Grünen im Landtag NRW weil diese Angelegenheit m.E. all diese Bereiche betrifft.

Wie in den Medien zu lesen hat Frau Bahar Aslan ihren geplanten Lehrauftrag an der Polizei-Hochschule Gelsenkirchen verloren. Ursache war ein Tweet, in dem sie über die Ängste schrieb, die sie und andere bei Polizeikontrollen erleben, und zwar aufrgrund rechtsextremer Strukturen in den Sicherheitsbehörden. Siehe dazu z.B. https://www.deutschlandfunk.de/dozentin-an-polizei-hochschule-verliert-nach-tweet-ihren-lehrauftrag-100.html

Nun hat Frau Aslan unbestritten einen zuspitzenden Ausdruck für die rechtsextremen Strukturen innerhalb der Sicherheitsbehörden verwendet. Dies kann aber nach meinem Empfinden kein Grund sein, sie von einem Lehrauftrag zu entbinden. Insbsondere die Signalwirkung dieses Vorganges auf die migrantische Community in NRW und in ganz Deutschland ist fatal und wirft das Vertrauen und Integrationsbemühungen um Jahre zurück. Siehe dazu beispielhaft die Stellungnahme der Türkischen Gemeinde:

https://www.deutschlandfunk.de/tuerkische-gemeinde-entsetzt-ueber-trennung-der-polizei-hochschule-von-dozentin-teil-des-rassismuspr-100.html

Darüber hinaus erhält Frau Aslan nun tagtäglich Hassbotschaften und Drohungen, die nicht zuletzt durch Äußerungen aus der Gewerkschaft der Polizei (GdP) flankiert wurden.

In ihrem Koalistionsvertrag hat sich die schwarz-grüne Koalition u.a. zu folgenden Punkten verpflichtet:

Unter dem Punkt Migration und Integration:

“Die Zusammenarbeit mit den Migrantenselbstorganisationen wollen wir intensivieren Bei der Förderung wollen wir weiterhin besonders einen Schwerpunkt auf diejenigen Migrantenselbstorganisationen legen, die Demokratiebildung und Antirassismusarbeit zu ihrer Zielaufgabe machen”

Unter dem Punkt Politische Bildung:

“Wir stärken rassismuskritische und diskriminierungsfreie Bildung.”

“Wir werden das integrierte Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus im Austausch mit der Zivilgesellschaft weiterentwickeln und dabei die Expertise des Landesnetzwerks gegen Rechtsextremismus stärker nutzen. Außerdem werden wir die unerlässliche Perspektive von Rassismus betroffener Communities in die Entwicklung von Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Rassismus einbinden.”

Unter dem Punkt Polizei:

“Wir werden das Angebot in der Aus- und Fortbildung, die Arbeit der Extremismusbeauftragten in den Behörden, Präventions- und Reflexionsmaßnahmen und niedrigschwellige Meldewege weiterentwickeln und die weiteren Empfehlungen der Stabsstelle „Rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei NRW“ konsequent umsetzen.”

Diese Empfehlungen lauten u.a.

“Die Werteorientierung soll durch eine Anpassung der Curricula in der polizeilichen Ausbildung bei allen drei Ausbildungsträgern verankert werden”

“Lehrinhalte der Fächer Ethik, Soziologie, Politikwissenschaft, Psychologie, Medienwissenschaft und interkulturelle Kompetenz sind im Studium zu stärken und möglichst prüfungsrelevant zu unterrichten”

“Fortbildung von Führungskräften zur Sensibilisierung, Erkennung von Radikalisierung und extremistischen Tendenzen und zu deren Entstehung”

Daher nun meine Fragen an Sie:

  1. Wie wollen Sie die o.g. Punkte des Koalitionsvertrages mit dem derzeitigen Koalitionspartner umsetzen, wenn dieser offenbar die Position der Polizei-Hochschule Gelsenkirchen unterstützt, welche diese Ziele offensichtlich konterkariert?

  2. Wie soll die Polizei Lehrpersonal gewinnen, die die Handlungsempfehlungen Stabsstelle „Rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei NRW“ letztendlich im Bildungsbereich umsetzen soll, wenn die lehrenden Personen befürchten müssen, ihren Lehrauftrag zu verlieren, sobald sie sich öffentlich kritisch zu rechtsextremen Strukturen bei der Polizei äußern (was ja eigentlich deren Aufgabe ist)? Es droht in Zukunft eine Art Selbszensur und eine Kultur des Wegsehens bei rechtsextremistischen und rassistischen Vorfallen bei der Polizei.

  3. Wie soll das nun stark beschädigte Vertrauen von Migranten-Selbstorganisationen in die Landesregierung wiedergewonnen werden?

  4. Als migrantische Lehrbeauftragte bei der Polizei-Hochschule war Frau Aslan exponiert und von daher eh schon besonders gefährdet. Wie gedenkt die Landesregierung, Menschen in solchen exponierter Position, die sich öffentlich kritisch zu rechtsextremen Strukturen bei Sicherheitsbehörden äußern, vor Hass, Hetze und Gewalttaten zu schützen?

  5. Rechtsextremisten könnten sich durch diesen Vorgang ermutigt sehen, sich um eine Beschäftigung bei der Polizei zu bemühen. Wie soll verhindert werden, dass sich das Problem der rechtsextremistischen Strukturen bei der Polizei nun sogar noch vergrößert?

Viele Grüße,

PS: Ich werde diese Mail als “offenen Brief” in den sozialen Medien des Fediverse veröffentlichen